Liebe große und kleine Leser/Leserinnen, diese Geschichte schreibe ich jeden Abend weiter. Das macht mir richtig Spaß. Manchmal finde ich Fehler, die ich natürlich nachträglich korrigiere. Diese Fehler können Schreibfehler sein, aber manchmal muss ich auch am Inhalt eine Kleinigkeit ändern. Wundert euch nicht darüber! So funktioniert Schriftstellerei.
Vielleicht werdet ihr auch mal Schriftsteller oder Schriftstellerinnen. Das ist ein sehr interessanter Beruf und dann seid ihr meine Kollegen/Kolleginnen.
- Dezember
„Guck mal! Da ist doch eine Wohnung frei!“, rief Frau Sperling.
„Wo?“, fragte ihr Mann.
„Dort drinnen in dem Zimmer.“
„Wie? Eine Wohnung in einem Zimmer? Ich seh nichts.“
„Du musst ganz genau hinschauen. Da! Rechts unten. Sieht so gemütlich aus! Klopf mal an die Scheibe und frag, ob wir einziehen können.“
„Nein, liebe Frau, das geht nicht. Schau doch mal, da ist ein Schild an der Tür. Also wohnt dort schon jemand.“
„Stimmt“, musste Frau Sperling zugeben und sie flogen beide weiter.
Aber wer wohnt denn dort?
2. Dezember
Das wollt ihr natürlich alle wissen. Wer passt schon durch so eine kleine Tür? Ach, ihr wisst es?
Ja, es ist die ganz kleine Fee. Sie hatte keine Lust mehr auf die großen Feen, die ihr immerzu sagten, was sie zu tun hatte und was nicht. Sie wohnte das ganze Jahr über vollkommen unbemerkt von den Menschen hier, aber im Dezember hatte sie Besuch, und darauf freute sie sich sehr. Sie konnte es kaum erwarten.
Sie holte Holz und feuerte den Ofen an. Sie stellte die Kanne mit dem Feenkaffee warm und überlegte, ob sie alles vorbereitet hatte. Zur Sicherheit holte sie noch einmal den Brief aus Schweden aus der Schublade und las ihn durch. Hatte sie auch nichts vergessen?
3. Dezember
Sie ging noch einmal Punkt für Punkt durch.
- Flugticket schicken – ja, das hatte sie gemacht, schon vor vier Wochen.
- Die Wohnung umbauen. Das Wohnzimmer hatte ein Fenster bekommen. (siehe Foto)
- Den Eingang vorm Haus in Ordnung bringen. Das wollte sie heute machen.
- Die Waschmaschine reparieren lassen. Schon geschehen. (siehe Foto)
- Die Wäscheleine neu spannen. Ach, die würde noch halten.
- Die Speisekammer füllen mit den Lieblingsspeisen ihres Gastes und noch Platz lassen für die leckeren Sachen, die er mitbringen würde. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen. Sie dachte an die Kekse, die Waffeln und an ihr Lieblingsessen Ärtsoppa* mit Pankaka**. Das würde er alles im Rucksack mitbringen, denn sein anderes Gepäck und der Umzugswagen waren ja schon angekommen. Ach herrjeh, der Wagen stand ja noch vor der Tür. Wie hatte sie das vergessen können.
*Erbsensuppe **Pfannkuchen
4. Dezember
Nun aber flott! Vielleicht kam er ja heute schon. Sie räumte den Gepäckwagen aus, stellte den Tisch auf, nahm den Besen und fegte den Eingang. Danach öffnete sie den Koffer und hängte seine Sachen auf den Bügel.
Geschafft!
Ihr müsst wissen, dass Feen sehr fleißig sind und ganz kleine Feen auch. Aber übertreiben muss man das mit dem Aufräumen und der Hausarbeit trotzdem nicht.
Sie holte sein Telegramm hervor und las es noch einmal durch:
„Liebe Freundin, danke für das Flugticket. Ich bin auf dem Weg. Du weißt ja, dass Wichtel-Airlines immer in Island eine Zwischenlandung macht, weil dort viele ihre Verwandten besuchen. Leider ist gerade wieder die Erde aufgeplatzt und glühend heiße Lava läuft raus. Nun muss unser Flugzeug warten, bis wir wieder Starterlaubnis bekommen. Liebe Grüße, dein Knuson.“
5. Dezember
Ach, ihr wisst gar nicht, wer Knuson ist? Dann wird es Zeit, dass die ganz kleine Fee ihn vorstellt:
„Knuson!“, seufzte die ganz kleine Fee vor sich hin.
„Ach Knuson, wie ich mich auf dich freue! Kein Monat ist so schön wie der mit dir. Mal abgesehen von dem leckeren Essen aus Schweden, bringst du immer so lustige Geschichten mit. Und Geschichten liebe ich sehr. Hoffentlich kommst du heute noch.“
Sie kontrollierte ihre Speisekammer ein letztes Mal. Hatte sie alles?
Ja, an Essen fehlte es nicht, aber Moment mal … wo war denn die Milch? Knuson brauchte seine Milch zum Frühstück, natürlich nur Rentiermilch.
Die gab es schließlich nicht überall, schon gar nicht hier in dieser Familie. Ja, (das musste sie sich zu ihrer Schande gestehen) manchmal bediente sie sich an den Sachen im Kühlschrank. Es gab genug, und sie brauchte nur winzige Portiönchen. Das war noch niemandem hier aufgefallen. Die waren sowieso mit sich selbst beschäftigt, die hatten noch nicht einmal ihre Anwesenheit bemerkt.
6. Dezember
Die ganz kleine Fee musste ihre Oma um Hilfe bitten. Sie brauchte ihr Feendy.
Nicht dass ihr denkt, auf dem Feendy kann man einfach eine Nummer wählen und schon geht die Oma ran! Nein, es funktioniert anders. Man muss denjenigen, den man sprechen oder sehen will heransingen.
Die ganz kleine Fee begann also zu singen:
„Liebe Oma,
komm mal her, denn ich brauche dich gar sehr,
woher krieg ich Rentiermilch, für den Knuson, den kleinen Knilch.
Er ist doch schon gleich mein Gast und ich hab‘ Rentiermilchkaufen verpasst.
Wie soll ich morgens Knuson wecken? Ohne Milch wird ihm sein Frühstück nicht schmecken.
Ach Oma, lass mich nicht so lange warten, …“
Doch Schwupps, da stand schon ein kleines Rentier im Garten.
7. Dezember
„Du kommst mir gerade recht. Wie heißt du denn?“, fragte die ganz kleine Fee das Rentierkind und schaute es freundlich an.
„Ich heiße Rotwind.“
„Wie schön. Und wo kommst du her?“
„Direkt von meiner Mutter, die mich mit einem Kännchen Milch hergeschickt hat. Wir wurden vom Wichtel-Notfall-Ernährungsdienst informiert. Meine Mutter hat mir sofort die kleine Milchkanne umgehängt und mir aufgetragen, sie hier abzugeben. Sollte ich etwas länger bleiben müssen, darf ich selber davon trinken – darum ist hier auch noch ein Nuckel versteckt – und das Kännchen füllt sich wieder. Uff – war das eine lange Geschichte.“
Rotwind war sichtlich erschöpft von dem vielen Reden.
Die ganz kleine Fee machte ihm sofort ein kleines Lager fertig, wo es die Nacht verbringen könnte. Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie gar nichts bemerkt hatte. Als sie sich jetzt aber umdrehte, konnte sie ihr Glück kaum fassen: Da standen Stiefel vorm Haus. Stiefel! Und wisst ihr wohl, wem die gehörten?
8. Dezember
Ja, die Stiefel gehörten Knuson. Aber sie waren voller Schlamm und Gras. Und sehr schmutzig. Nanu? Draußen hatte es überhaupt nicht geregnet. Wo war er langgelaufen? Normalerweise kam er doch von Flughafen mit dem Wichteltaxi. Da machte man sich doch nicht die Schuhe schmutzig.
„Ich muss ihn morgen früh gleich fragen, wenn er ausgeschlafen ist“, sagte die ganz kleine Fee.
Rotwind schaute sie verständnislos an. Er hatte niemanden gesehen. Wen wollte sie also fragen? Aber das konnte er auch morgen herausbekommen. Jetzt war er erstmal von der langen Reise müde. Er legte sich auf sein Lager, nahm noch ein Schlückchen aus seiner Milchkanne, kuschelte sich zusammen und schlief ein.
9. Dezember
Am nächsten Morgen war die ganz kleine Fee schon lange wach. Sie hatte vor dem Haus gefegt, für Rotwind Moose und Flechten bereitgestellt, damit er etwas zum Knabbern hatte und schon längst mit Knuson gefrühstückt. Ganz leise hatte sie sich ein paar Tropfen Milch aus Rotwinds Milchkännchen geholt. Das kleine Rentier hatte überhaupt nichts gemerkt.
Jetzt hatte sie endlich eine kleine Pause. Knuson saß im Wohnzimmer und schrieb Briefe an seine Freunde in Schweden. Darin berichtete er von seiner abenteuerlichen Reise hierher.
„Ach“, seufzte die ganz kleine Fee. „Der arme kleine Knuson! Was hatte er alles erlebt!“
„Ja, was denn?“, fragte Rotwind neugierig. Er hatte die Fee seufzen hören und war aufgewacht. „Wo ist denn dieser Knuson und was hat er erlebt?“
„Hör zu Rotwind, ich werde es dir erzählen. Erstens flog sein Flugzeug viel zu spät aus Stockholm weg.“
„Wo ist denn Stockholm?“
„Na in Schweden. Es ist die Hauptstadt von Schweden.“
„Und was ist Schweden?“
„Schweden ist ein großes Land. Kommst du da nicht auch her?“
„Ich? Nö, ich komme von meiner Mama und da will ich auch wieder hin.“
„Aber natürlich“, lächelte die ganz kleine Fee und streichelte Rotwind.
10. Dezember
„Das will ich auf jeden Fall. Bei meiner Mama ist es nämlich sehr schön. Wir durchstreifen zusammen die Wälder und erschrecken die Eichhörnchen, die natürlich überhaupt nicht damit rechnen, dass wir plötzlich aus dem Dickicht auftauchen.“ Rotwind kicherte. „Dann springen sie davon. Sie können ganz weit springen. Von einem Baum zum nächsten. Dabei lassen sie manchmal ihre Nüsse fallen. Die esse ich dann. Lecker! Hat Knuson nicht auch etwas Leckeres mitgebracht?“
„Ja, schau mal!“, antwortete die Fee und zeigte Rotwind die kleinen leckeren Süßigkeiten.
So schnell konnte die ganz kleine Fee gar nicht gucken – da hatte Rotwind schon alle aufgegessen. Sie waren ruckzuck in seinem Bäuchlein verschwunden.
„Upps?“, sagte er entschuldigend. „Hätte ich dir etwas übriglassen sollen?“
„Ach was!“, lachte die Fee. „Knuson hat einen ganzen Rucksack voll davon mitgebracht. Leider ist es nur ein kleiner Rucksack, aber immerhin. Den Inhalt hat er retten können. Die große Tasche voll Köstlichkeiten musste er einer Wildschweinherde geben. Das war ja gerade das gefährliche Abenteuer und …“
11. Dezember
„Wildschweine? Wir haben viele Wildschweine in unserem Freundeskreis. Aber die leben nicht in Herden!“, unterbrach Rotwind sofort.
„Nicht? Wie heißen sie denn sonst?“, wollte die ganz kleine Fee wissen.
„Sie leben in Rotten. Sie durchwühlen den Waldboden und dabei lockern sie oft köstliche und gesunde Wurzeln, die wir gerne knabbern.“, erklärte Rotwind. Er war sehr stolz, dass er so viel wusste und es der kleinen Fee erzählen konnte. „Wieso war es für Knuson so gefährlich bei Wildschweinen zu sein?“
„Knusons Flugzeug ist doch viel zu spät losgeflogen. Der Pilot hatte leider vergessen, genug zu tanken und plötzlich musste er notlanden mitten im Hermsdorfer Forst. Da leben viele Wildschweine in Lotten.“
„Rotten!“
„Dann eben Rotten. Die haben Knuson durch das Dickicht stapfen sehen und haben ihm angeboten, ihn herzubringen. Er hat sich auf ein kleines Ferkel gesetzt, aber das ist so schnell losgerannt, dass Knuson runtergefallen ist und seine Tasche verloren hat.“
„Die kleinen Wildschweine heißen nicht Ferkel! Die heißen Frischlinge.“
Die kleine Fee kicherte. „Wie komisch! Und die Eltern sind nicht mehr frisch? Wie heißen die? Altlinge?“
12. Dezember
In diesem Augenblick öffnete sich die Haustür und ein kleiner brauner Frischling kam heraus.
Ach nein! Das war gar kein Frischling, das war Knusons kleiner Hund Schnuppi. Er war erst heute mit der Post geliefert worden, also mit der Wichtel-Express-Post.
Rotwind war begeistert. Er schnupperte gleich an ihm rum. Schnuppi wedelte vergnügt mit dem Schwänzchen.
Die ganz kleine Fee freute sich. Die beiden verstanden sich. Wie gut!
„Schnuppi, erzähl uns doch mal, von wo du abgeholt wurdest?“, ermunterte sie ihn.
„Schnuppi! Was für ein schöner Name für dich“, schwärmte Rotwind.
Nun erzählte Schnuppi seine Geschichte: „Ich bin mit Knuson losgeflogen. In Island hatten wir einen langen Aufenthalt. Wir kleinen Hunde durften nicht bei unseren Wichteln bleiben, sondern wurden alle in einer großen Hundehütte untergebracht. Das war dort sehr lustig, aber auf einmal hörten wir, dass Wichtel-Airlines mit unseren Wichteln abgeflogen war. Das war ein Schreck! Aber wir bekamen jeder ein Beruhigungswürstchen und wurden nach und nach von der Wichtel-Express-Post abgeholt. Das sag ich euch, mit denen fliege ich nie wieder!“
„Warum denn nicht?“, fragte die ganz kleine Fee.
13. Dezember
„Zuerst war alles ganz normal, wie in einem Flugzeug mit Anschnallen, netten Schtuahrtsessen* (oder so), die leckeres Essen bringen und Wasser und eine Decke, wenn man friert.“
„Das klingt doch sehr gemütlich“, begeisterte sich Rotwind.
„Ja, aber dann kommt das Aussteigen!“, Schnuppi knurrte. Wenn er nur daran dachte, sträubte sich schon wieder sein Fell.
„Was ist denn daran so schlimm?“, wunderte sich die ganz kleine Fee.
„Man muss abspringen!“
„Abspringen!“, schrien die beiden entsetzt. „Was?“
„Ja, mit einem Regenschirm, ach nein, mit einem gefalteten Schirm, auch nicht, … mit irgendeinem Schirm, den sie uns angeschnallt haben. Und ehe man sich’s versieht, fliegt man schon durch die Luft auf den Boden zu.“
„Das war ein Fallschirm! So etwas muss man doch üben! Nur wir Feen können gefahrlos fliegen“, sagte die ganz kleine Fee.
„Und wo bist du gelandet?“, Rotwind wollte alles wissen.
„Frag lieber erstmal wie! Plautz, rumbum, aua, kratz, … doch dann hatte ich Glück, sehr großes Glück und Knuson auch.“
Schnuppi schwieg einen Moment und freute sich, dass er so spannend erzählen konnte.
*Stewardessen (das ist auch ein sehr schwieriges Wort. Besonders für Schnuppi)
14. Dezember
„Na gut. Ich war neben einem Baum gelandet und hatte mich gestoßen und deshalb lag ich erstmal ganz benommen rum. Außerdem war mir sehr kalt. Ich glaube, ich bin vor Erschöpfung ein wenig eingeschlafen. Und dann …“
„Dann?“
Rotwind und die ganz kleine Fee hielten es kaum noch aus.
„Dann machte ich die Augen auf und blickte in wunderschöne liebe Augen. Die gehörten der …“
„Waldfee!“, rief die ganz kleine Fee.
„Woher weißt du das?“, Schnuppi war enttäuscht.
„Es kann nur die Waldfee gewesen sein. Erzähl bitte weiter.“
„Du weißt ja schon alles.“
„Aber ich weiß gar nichts“, sagte Rotwind.
„Ja, es war die liebe Waldfee. Sie hatte mich in eine Decke eingewickelt und passte auf mich auf.“